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Übertragungen

Fernsehübertragungen, Liveübertragungen, Direktübertragungen, allesamt gewohnter,sogar vorausgesetzter Komfort unseres Medienalltags, der uns eine allgegenwärtige Vorortpräsenz verspricht. Allein Zeit, Ort und Thema dieser flüchtigen "on air"-Momente werden durch eindeutige Interessen bestimmt. Übertragungen ganz anderer Art finden bei Alexander Steig, Jahrgang '68, statt. Im Vordergrund seiner künstlerischen Auseinandersetzung steht die Erforschung unterschiedlicher Realitätsebenen und der damit verbundenen Wahrnehmungsstrukturen. Obwohl dieser Ansatz in der jungen Kunst sicherlich nicht unberührt geblieben ist, widmet er sich gezielt dem Medium Video.


Referenz, 1997..............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................


blue-pencilled-telly,1997; ...................................................................................................................blured telly, 1998

Der Fixpunkt seiner objekthaften Arbeiten bildet die Untersuchung von Fernsehgeräten in ihrer funktionalen Gesamtheit. An Stelle der Bildröhre reflektiert ein dort eingebauter Spiegel das Geschehen davor (Referenz,1997). Übermalungen des gesamten Fernsehgerätes mit blauer Farbe (blue-penciled telly,1997/98) oder Auftragungen von transparenten Gelschichten auf den Bildschirm (blured telly,1998) verhindern das Eindringen in die Bildebene und lassen damit jeden Deutungsversuch der im Hintergrund laufenden Programmbilder oder vermeintlich aktueller Bezüge scheitern.


Wie man ein Fliege auf natürliche Art töten kann, 1998, Villa Minimo, Hannover


Über den Grund des Vergnügens junger Mäuse an schrecklichen Gegenständen, 1999, Kunstverein Via113, Hildesheim

Während diese Arbeiten noch in ironischer Selbstverweigerung die Erwartungshaltung des Fernsehkonsumenten thematisieren, verlängert Steig in seinen Installationen den Wirkungsgrad der Mattscheibe/des Mediums in einen dahinterliegenden Aktionsraum. Durch die Entkoppelung des Aktionsortes vom Ort des Sehens konfrontiert Alexander Steig sowohl Protagonisten als auch Rezipienten immer wieder mit überraschenden Entdeckungen. Mal sind es Pflanzen,
wie die Venusfliegenfalle in Wie man eine Fliege auf natürliche Art töten kann,1998, oder Tiere (Über den Grund des Vergnügens junger Mäuse an schrecklichen Gegenständen,1999), die auf dem Bildschirm ihren Eigenarten nachgehen, mal wird der Besucher selber in einer, für ihn erst im Nachhinein erkennbaren Weise zum Protagonisten und zum unfreiwilligen Darsteller (coming and going,1998).






coming and going, 1998, Villa Minimo

Alexander Steig erzählt also keine Geschichten, entwirft keinen Plot, inszeniert auch keinen virtuellen Kosmos. Die Bilder, die er überträgt, sind
Ausschnitte einer sinnlich erfahrbaren, realen Welt. Doch genau jene Bruchteile von Zeit zwischen Aufnahme und Wiedergabe, jene Leitungslänge der Übertragung benutzt Alexander Steig zur immateriellen Bearbeitung. Allein der Besucher gerät in die verwirrende Spekulation über Echtheit und Echtzeit und das Verhältnis zwischen Fiktion, Programmwirklichkeit und Realität. Aus dieser scheinbar unvermeidlichen Verzahnung zielen auch die Titel mit ironisch distanzierten Attacken auf die Besucher. Wer gelernt hat, den Begriff der Blaupause zu deuten, der wird sich fragen, was der Titel blue-penciled telly mit bereits erwähnten Objekt interpretieren will, gerade unter dem Aspekt, dass es sich um ein englisches Synonym für ausradieren/übermalen handelt. Oder endet der Akt des Tötens auf natürliche Art anders als mit dem Tod?

Übertragungen sind überall möglich, und dennoch potenziert Alexander Steig mit intuitivem Spürsinn den Wirkungsgrad seiner Anordnungen durch Einbeziehung der örtlichen Gegebenheiten. So werden seine Übertragungssituationen zu Unikaten, die sich als temporäres Ereignis der Möglichkeit eine Wiederaufführung verweigern und dem Versuch authentischer Konservierung entziehen.

Axel Bohse

(Katalog meister - schüler, 1999, , Fachbereich Bildende Kunst, Fachhochschule Hannover)

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